Samstag, 13. September 2014

Monviso (3.841m) - 2 Tage

Dieser gewaltige Berg sprengt den Rahmen unserer Alpendurchquerung und stellt gänzlich andere Anforderungen. Da er uns aber zumindest  bei guter Sicht schon seit dem ersten Jahr auf der GTA begleitet und eines der Wahrzeichen des Piemont ist, möchte ich seine Besteigung  ausnahmsweise im GTA-Blog beschreiben.

Nach dem Ende unserer diesjährigen GTA-Runde mussten wir zunächst einmal auf passendes Wetter warten. Meine Zeiten des alpinen Heldentums, in denen man auch bei mäßiger Gewitterprognose noch tapfer in Klettertouren eingestiegen ist, sind zum Glück vorbei oder seien wir ehrlicher... der momentane körperliche Zustand taugt nur noch zum Schönwetterbergsteiger. Was soll man auch in Wolken an einem Berg umherirren, der die einzigartige Aussicht schon im Namen trägt. Nach zwei Tagen Kulturprogramm in Saluzzo und Manta mit wahrlich durchwachsenem Wetter gelobte der Wetterbericht dann Besserung. Also starten wir das Projekt Monviso. Hierfür brauche ich noch dringend eine Stirnlampe. Nicht, dass der über die Jahre ganz gut sortierte Bergsteigerhaushalt derartiges Equipment nicht führt, aber im schönen Dresden nützt sie uns derzeit wenig. Irgendetwas vergesse ich halt immer und mit Schirm und Stirnlampe waren das in diesem Jahr eher zu vernachlässigende Utensilien. Es sei denn man hat im Urlaub nichts besseres zu tun, als in dunkler Nacht durch die Berge zu stapfen. Also nutzen wir die Chance und bringen in Verzuolo unser Sortiment an Stirnlampen auf den Stand der Zeit.

Dann hinauf ins Valle di Po. Die Fahrt von Crissolo hinauf zum Pian del Re mit der Quelle des Po ist an sich schon spannend. Gewürzt wird dies aber noch, wenn einem auf der schmalen Bergstraße eine ganze Kompanie Alpini (das sind die italienischen Gebirgsjäger) mitsamt Fuhrpark entgegenkommt. Bei den notwendigen Rückwärtsfahrten und Rangiermanövern behindern Urlaubsgepäck und Fahrräder im Kofferraum immer wieder das Sichtfeld, aber irgendwie gelingt es doch immer aneinander vorbei zu kommen. Am Parkplatz stellen wir dann fest, dass es einer der fetten Armeejeeps doch nicht ganz ohne Körperkontakt geschafft hat - zum Glück nur ein kleiner Kratzer.

Unser Basislager für die Besteigung wird das Rifugio Quintino Sella (2.640m) sein. Das ergibt dann für den ersten Tag 690m auf und 50m ab und am Gipfeltag 1.400m auf und 2.140m ab. Der Aufstieg zum Rifugio folgt der GTA (Jahr 3 / Tag 9). Der Weg ist landschaftlich zwar so reizvoll, dass ich ihn auch mehrfach beschreiben könnte, aber das sprengt den Rahmen. Zudem wird unser Aufstiegsgenuss durch Nebel und das regelmäßige Gegröhle einer 40-köpfigen deutsch-französischen Jugendgruppe stark eingeschränkt. Dummerweise haben die schnellsten von denen auch die meiste Luft fürs Geschrei. Aber oben im Blockfeld sind wir sie dann doch los - vorerst zumindest.

An der Hütte bekommen wir unsere Lager zugeteilt. Die kleinen Räume sind langfristig vorreserviert, also kommen wir in den großen 19-Personen-Raum unter dem Dach, 5 Doppelstockbetten und nochmals über eine Leiter erreichbar 9 Matratzenlager - hier sind auch unsere Plätze. Wir haben anscheinend den beschi...en Schlafplatz der Hütte abgefasst. Aber die Hütte ist halt so stark frequentiert, dass auch der letzte freie Raum in irgendeiner Form für die Unterbringung von Menschen nutzbar gemacht wurde. Die Gemütlichkeit der GTA-Quartiere sucht man hier natürlich vergebens. Denn dank perfekter Wettervorhersage und der Jugendgruppe ist die Hütte komplett ausgebucht. Das bedeutet dann auch 2-Schicht-Betrieb beim Abendessen. Wir sind in Runde 1 dran und müssen direkt nach dem Essen von unserem Tisch weichen, alternative Sitzplätze Fehlanzeige. Also bleibt nur die Flucht ins Lager. Lesen ist auch nicht drin, denn den Handyakku brauche ich für morgen und ein Buch hatte ich für die eine Nacht nicht extra eingepackt. Also bleibt Zeit für die Betrachtung der Decke und Gedanken über die Sinnhaftigkeit des Tuns. Schneller als gedacht, schlafen wir dann doch.

Seit 4:00 Uhr gibt es Frühstück für die Gipfelaspiranten. Um 4:40 Uhr wache ich auf und stelle fest, dass sich das Lager schon gut geleert hat. Erstaunlich, dass man doch so fest schläft und nicht mitbekommt, dass die Nachbarn aufstehen und samt der klappernden Rucksäcke die Leiter hinab steigen. Also hinterher und zum Frühstück. DoDo darf noch bis 7:00 Uhr schlafen, dann ist Fütterung des normalen Bergvolkes.

Gut 20 Personen bereiten sich in der Hütte auf den Monviso vor. Leider bin ich der einzige Deutschsprachige, 3 Italiener, der Rest Franzosen, ein paar davon mit Berführer unterwegs. Ich scheine der einzige Alleingänger zu sein und das Equipment der meisten Seilschaften am Start würde locker für den Mont Blanc reichen. Pickel und Eisgeräte, Seile und Karabiner werden sortiert, während ich meinen Tee schlürfe und die Zwieback in mich hineinzwänge. Mir kommen Zweifel, ob mein Vorhaben einer Solobesteigung so die beste Idee war, aber 400€ für den Bergführer war mir der Spaß einfach nicht wert (zu zweit 500€). Also mache ich mir Mut, gerade in Italien hatten wir solche Erfahrungen schon des Öfteren, man neigt hier oftmals dazu große Berge mit Expeditionsausrüstung anzugehen. Wahrscheinlich schon aus fotogenen Gründen. Meine Ausrüstung ist dem Vorhaben angemessen und beschränkt sich auf ein Paar leichte Steigeisen und einen Gurt für den Notfall. Eisausrüstung ist entbehrlich, die Gletscher in der südseitigen Aufstiegsroute haben eher den Charakter von Altschneefeldern und sollten zumal im September unproblematisch sein. Erwartet man ja auch vom südlichsten Berg der Alpen über 3.500m.

Um 5:25 Uhr starte ich dann, die meisten sind schon unterwegs, aber der Letzte bin ich auch noch nicht, das beruhigt. Den Weg hinab zum See und am Hang gegenüber leuchten die Stirnlampen durch die Nacht. Der Mond scheint allerdings so hell, dass man gut ohne Licht gehen kann, das ist angenehmer und sicherer, also gehe ich ohne Licht. Am Klettersteig hinauf zum Passo delle Sagnette (2.990m) schalte ich das Licht dann doch wieder an. An den ersten steileren Stellen schließe ich zu einigen Seilschaften auf und wundere mich, dass bereits am Klettersteig vorbildlich mit Selbstsicherung gearbeitet wird. Sicherheit ist ja in Ordnung, aber auf uns warten heute noch lange Passagen im II. Grad und Stellen im III. Da sollte man einen Klettersteig schon frei begehen können. Eine Zweierseilschaft lässt mich passieren, die französische 8er-Seilschaft ist derart mit sich und dem Klettersteig beschäftigt, dass sie nicht auf die Idee kommen, mich vorbei zu lassen. Also warte ich geduldig und klettere schließlich im gut strukturierten Gelände abseits der Ketten an ihnen vorbei. Kurz vor 7 stehe ich mit den ersten Sonnenstrahlen  am Pass, zeitlich voll im Plan. Laut Beschreibung wäre nur ein kurzer Abstieg erforderlich, ich finde aber keinen Abzweig. Also warte ich kurz auf die mühevoll Überholten, aber die scheinen auch keinen Plan zu haben und steigen hinab in den Grund des Kessels. Die Seilschaften mit den Bergführern sind leider auch nicht zu sehen, wenn man sie bräuchte. Also auch erstmal etwas hinab und an einem Steinmann am Hang gequert. Die Blockfelder im Grund sehen auch nicht besser aus, also spare ich mir lieber ein paar Höhenmeter. Dann entdecke ich beim Aufstieg an den Schneefeldern wieder Seilschaften und habe einen Orientierungspunkt. Offensichtlich diene auch ich als solcher und alle hinter mir, springen auf meinem Weg von Block zu Block. Dann entdecke ich auch die ersten gelben Markierungen, die hier mal mehr mal weniger den Weg weisen. Das ist bei Hochtouren zwar eher unüblich, aber in dem zerklüfteten Gelände eine sinnvolle Erleichterung, ohne die ich sicher nicht allein in einen unbekannten Berg eingestiegen wäre. Dann folgt ein steiler Geröllanstieg zum Bivacco Andreotti (3.270m, 8:15 Uhr).

Direkt nach dem Biwak folgt der Miniaturgletscher. Ich treffe auf die Seilschaften mit Bergführer, die sich anseilen. Spalten sind hier ausgeschlossen, der Weg ist ausgetreten und flach, Steigeisen benötigt man hier selbst im morgendlichen gefrorenen Zustand keine. Dann folgt der Anstieg einem Felsband nach links mit ersten Kraxelstellen. Ich verstaue die Stöcke im Rucksack und bin froh über meine Handschuhe, der Fels ist echt saukalt. An manchen Stellen sind die kleinen Rinnsale noch gefroren und funkeln lustig in der Morgensonne. Plötzlich kraxelt ein einzelner Bergsteiger rasant an mir vorbei, spricht kurz mit mir und meint in 1 Stunde wäre ich oben...fragt sich nur, ob in meinem oder seinem Tempo. Ich versuche gar nicht erst mich dranzuhängen. Kurz darauf kommt ein zweites Exemplar dieser Sorte, also ist eine Solobegehung doch nichts Ungewöhnliches. Zwei Kletterstellen bereiten etwas mehr Schwierigkeiten und ich versuche mir schon mal Griffe und Tritte für den Abstieg zu merken. Ansonsten bleibt die Kraxelei recht konstant, fordert regelmäßig die Zuhilfenahme der Hände, ist aber nicht ausgesetzt oder unangenehm. Weiter oben kommen dann die ersten Biwakschläfer im Abstieg entgegen. Dann treffe ich schon wieder die beiden Rennsemmeln, scheint also wirklich nicht mehr weit zu sein. Tut auch Not, denn wie immer stellten sich so ab 3.500m leichte Kopfschmerzen ein. Richtig hohe Berge werde ich mit dem Handicap wohl nie angehen können.

Kurz vor dem Gipfel dann noch eine französische Gruppe, die wohl auch am Biwak gestartet war. Um 10:20 Uhr stehe ich dann oben, habe also wirklich die angebene Zeit von 5h gebraucht. Fantastische Sicht, aber der Wind pfeifft ordentlich und es ist saukalt. Selbst das Wasser im Trinkschlauch stockt schon. Habe wirklich Glück mit dem Wetter, die Poebene hüllt sich zwar in Wolken und diese verdecken alles unter 3.000m, aber über den Grat der Monviso-Gruppe schaffen es die Wolken nicht... Freie Sicht bis zu Gran Paradiso und Monte Rosa und den ganzen Schweizer 4.000ern. Ein paar Fotos und ich mache mich auf den Rückweg, für eine längere Rast ist es einfach zu kalt.

Hinab ist die Orientierung leichter als gedacht. Man sieht die gelben Zeichen ganz gut und die aufsteigenden Seilschaften weisen ohnehin die grobe Richtung. Die letzten von ihnen werden wohl eine zweite Hüttennacht eingeplant haben. Die Franzosen, die bereits am Klettersteig ihre Problemchen hatten, kommen mir im Stile einer Gletscherbegehung als 8er-Seilschaft entgegen. Wie man so in dem Gelände vorankommen will, bleibt mir ein Rätsel. Bis zur Dämmerung schaffen sie es zumindest nicht mehr ins Tal, selbst zur Hütte dürfte das schwierig werden. Die beiden schwierigeren Passagen lösen sich besser auf als gedacht, nur eine Platte, von der man auf ein steiles Schneefeld rutschen könnte, erweist sich als unangenehm. Was wirklich langsam unangenehm wird, sind meine Kopfschmerzen. Am Gletscher bin ich schon so unkonzentriert, dass es mir die Beine wegzieht. Aber wie gesagt, der ist unkritisch und so rutsche ich nur etwas und kann mich in Ruhe wieder aufrichten.

Unterhalb des Biwak dann erstmal Rast. Wasser hab ich schon ausgetrunken, also bleibt nur ein Apfel um die Aspirin zu schlucken, lecker ;) Durstig schleiche ich hinunter ins Blockfeld, im Tageslicht ist es auch kein Problem den Pfad zu finden, der fast ohne Höhenverlust zum Passo Sagnette führt. Eigentlich ordentlich mit Steinmännchen markiert, man fragt sich, warum das im Morgengrauen alle übersehen haben. Dann wieder den Klettersteig hinab zum See. Dabei stelle ich fest, dass die Seilsicherungen stellenweise gar nicht so überflüssig sind, wie ich das in der Nacht vermutet hatte. Kurz vor 3 bin ich dann endlich wieder an der Hütte und trinke erstmal ordentlich aus der Quelle, in der Hütte dann noch Kaffee und Crostata. Das vertreibt die Kopfschmerzen endgültig. Dafür stelle ich fest, dass das Pflaster auf meinem Knie eine ordentliche Blase auf der neuen Haut gerieben hat. Eine Blase am Knie hatte ich auch noch nie... Egal, kann man jetzt eh nichts dagegen tun. Also den Rucksack im Depot umgepackt und gegen 4 mache ich mich auf den Weg zum Parkplatz, den ich dann Punkt 6 erreiche. 11h reine Geh- und Kletterzeit liegen hinter mir und ich bin echt fertig, wieder mal so ein Tag an dem man sich vornimmt mal wieder etwas regelmäßiger etwas für die Kondition zu tun.

Kurz vor dem Parkplatz hatte sich auch DoDo von ihrer Tour zurück gemeldet. Sie hat den Viso Mozzo (3.010m) erklommen und hat dann eine schöne Runde hinab nach Pian Melze gedreht. Dort sammle ich sie ein und wir fahren glücklich und zufrieden mit unseren Touren ins Hotel nach Crissolo.

Nun war es das wirklich für dieses Jahr von uns und unseren Erlebnissen auf der GTA. Den Urlaub lassen wir noch 1 Woche in der Langhe, dem Gebiet des Baroloweines ausklingen ... Wir melden uns dann wieder im nächsten August :)


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